Hunderte Menschen beim ersten Werkstätten:Tag des Landes in Magdeburg

@Sabrina Gorges

Keine „Sonderwelt“: Werkstätten für behinderte Menschen präsentieren sich am Aktionstag offen und leistungsstark

Der Behindertenbeauftragte der Landesregierung von Sachsen-Anhalt, Christian Walbrach, brachte es eingangs der Podiumsdiskussion auf den Punkt: „Der erste Werkstätten:Tag ist ein Symbol der eigenen Öffnung.“ Denn weltoffen, vielfältig und leistungsstark präsentierten sich die 15 beteiligten Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) am gestrigen Dienstag von 10.00 bis 16.00 Uhr auf dem Alten Markt in Magdeburg. Anlässlich der Premiere des Werkstätten:Tages Sachsen-Anhalt waren hunderte Beschäftigte, Betreuerinnen und Betreuer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Angehörige sowie mit den Werkstätten verbundene Menschen aus allen Landesteilen in die Landeshauptstadt gekommen. Sie präsentierten ihr Können sowie Teile von Produktionslinien, akquirierten Aufträge und boten Waren aus dem Sortiment an.

„Werkstätten sind keine Sonderwelt“, betonte Martin Schreiber, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) WfbM Sachsen-Anhalt e. V., der immer wieder die Daseinsberechtigung der Einrichtungen der Sozialwirtschaft hervorhob. „Es muss aufhören, Werkstätten abzuwerten oder gar zu entwerten.“ Sie seien für Menschen mit Behinderungen Orte des Schutzes, der Teilhabe am Arbeitsleben, der Tagesstruktur und der Freundschaften. Ihr Bild hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Die immer wieder aufkommende Kritik am „Prinzip Werkstatt“ und deren Vermittlungsquote auf den ersten Arbeitsmarkt ist deshalb nicht hinnehmbar und wird oft einseitig geführt. „Deshalb ist es wichtig, dass die Werkstätten sich an einem Aktionstag wie diesem in der Öffentlichkeit zeigen und bekannter werden“, sagte Schreiber. „Und das sie zeigen, welches Leistungsvermögen und welches hohe Maß an Flexibilität und Vielseitigkeit in ihnen steckt.“ Denn: Werkstätten fertigen Produkte aus dem Alltag eines jeden Einzelnen, beispielweise Lattenroste für Bettgestelle.

Neben den Präsentationsständen der Werkstätten verschiedener Träger gab es auf der Bühne vor dem Alten Rathaus viel zu sehen und zu erleben. Der Journalist und Moderator Stefan Bernschein führte durch ein ebenso unterhaltsames wie informatives Programm. Es gab Musik und Tanz, ein Theaterstück, Kabarett vom Magdeburger Lars Johansen und eine Podiumsdiskussion, an der auch Politikerinnen und Politiker teilnahmen. Im Fokus stand hier der erste Arbeitsmarkt und wie Menschen mit Behinderungen dort Fuß fassen können. Und die Diskussionsrunde war der richtige Zeitpunkt, um zu verkünden, dass der gestrige Werkstätten:Tag „definitiv“ keine Eintagsfliege bleibt, sondern im nächsten Jahr in die zweite Runde gehen wird. Dann wohl an einem anderen Ort, denn der Wunsch ist es, den Aktionstag „durchs Land wandern zu lassen.“ Organisiert hat die Veranstaltung die Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte unter Vorsitz von Peter Marx. In jeder WfbM wird von den Beschäftigten ein Werkstattrat gewählt, der die Interessen der Beschäftigten gegenüber der Werkstattleitung vertritt.

Kampagne „Mit vielen Augen“ gestartet Am Werkstätten:Tag startete auch die Kampagne „Mit vielen Augen“, die die LAG WfbM Sachsen-Anhalt initiiert und in den vergangenen Monaten umgesetzt hat. „Porträts von Menschen im Kontext der Arbeit der WfbM“, fasste Sprecher Andreas Twardy die Kampagne zusammen. „Werkstattbeschäftigte, Angehörige, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Menschen aus dem sozialen Umfeld der Werkstatt erzählen ihre Geschichte.“ Die Kampagne „Mit vielen Augen“ sammelt Sichtweisen. Es geht um Erfahrungen und Einblicke in die vielschichtige Welt der Werkstätten. Weitere Informationen gibt es auf www.mitvielenaugen.de.

Hintergrund:
Die LAG WfbM Sachsen-Anhalt setzt sich für die Interessen von mehr als 11 500 Beschäftigten in landesweit 33 Werkstätten ein. Sie arbeitet auf Landes- und Bundesebene mit Verbänden und politischen Vertretungen zusammen. Die Beschäftigten haben in den Werkstätten Möglichkeiten zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sie gehen unterschiedlichen Arbeiten in verschiedenen Bereichen nach. Ein wichtiger Bestandteil der Werkstattleistung ist die individuelle Förderung.
Die Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) ist eine Einrichtung zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsleben. Menschen, die wegen der Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder noch nicht wieder auf dem Allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, erhalten hier eine angemessene berufliche Bildung und Beschäftigung. Die Werkstätten ermöglichen ihnen, ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen und ein Arbeitsentgelt zu erzielen. In Deutschland sind aktuell etwa 320 000 Menschen in rund 700 anerkannten Werkstätten beschäftigt.