25 Jahre JMD Bitterfeld-Wolfen: Integration durch Teilhabe

Kritik des Diakonievereins e. V. am geplanten Kahlschlag des Bundes bei der Integrationsförderung

„Es ist nicht einfach, seine Heimat zu verlassen“, so Violeta aus dem Kosovo. Elf war die 35-Jährige, als sie 1999 mit ihrer Familie aus der Heimat vor dem Krieg floh. Erst mit der Familie eingesperrt ins eigene Haus, das mit Benzin übergossen lichterloh brannte! Dann die Flucht. Über Monate hinweg. In Deutschland schließlich der Neuanfang. „Der Jugendmigrationsdienst hat mir persönlich sehr viel geholfen. Mit der Sprache, bei den Hausaufgaben, den Behördengängen und der Berufsorientierung. Ich habe durch den JMD soziale Kontakte geknüpft, mein Hobby, das Tanzen, entdeckt und neue Freunde gefunden.“ Nach einem erweiterten Realschulabschluss hat Violeta eine Ausbildung zur Friseurin absolviert. Und als Ehrenamtliche jahrelang den JMD Bitterfeld-Wolfen unterstützt.

Und der ist jetzt 25 Jahre alt. Gratulation! Das ist gefeiert worden. Am 7. September 2023 im Garten des Bitterfelder Lutherhauses. Mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Und natürlich mit der Theologische Vorständin des Diakonievereins e. V. Bitterfeld-Wolfen-Gräfenhainichen, Ulrike Petermann, der JMD-Leiterin Annett Spott mit ihren Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen. Klar, dass Migranten, die hier Hilfe fanden und noch finden, auch eingeladen sind. So zum Beispiel Familien aus Syrien, Somalia, Afghanistan, Irak, Iran und der Russischen Föderation. Da passen die Bastel- und Spielangebote wunderbar.

Von Gastfreundschaft und dem Fremden in der Bibel spricht Ulrike Petermann in ihrer Andacht zum Festbeginn. Die Aufforderung, den Fremden, den Nächsten, zu lieben wie sich selbst, ziehe sich wie ein roter Faden vor allem durch die Texte des Alten Testaments. Da erinnerten viele Stellen immer wieder daran: „Vergiss nicht, du warst selbst ein Fremder in Ägypten, und deswegen bist du jetzt verpflichtet, Fremde gerecht und human zu behandeln. Das ist ein biblisches Schlüsselthema.“

Und die Integrationsförderung inklusive der Migrationsberatung hätten eine Schlüsselfunktion für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, betont Ulrike Petermann, die dann den geplanten Kahlschlag des Bundes kritisiert. „Für die verschiedenen Angebote der Migrationsberatung stehen mit dem Entwurf des Bundeshaushaltes 2024 Kürzungen von bis zu 50 Prozent im Raum. Grob geschätzt würden die reduzierten Mittel dann nur reichen, um etwa noch die Hälfte des Angebotes diakonischer Arbeit in der Migrationsberatung und der Unterstützung für Migrantinnen und Migranten hierzulande fortzuführen. Das ist unverantwortlich!“

Doch bei der Feier hier geht es in erster Linie um die Freude über gemeisterte Herausforderungen. Den JMD als Herz der Migrationsberatung. Sechs Mitarbeitende unterstützen junge Menschen mit Migrationshintergrund zwischen 12 und 27 Jahren durch Beratung, Bildungs- und Freizeitangebote. Drei Beschäftigte sind in der Beratung tätig, zwei an Schulen im Landkreis und eine im Projekt für Elternarbeit. Betreut werden derzeit etwa 440 KlientInnen. Motto: Integration funktioniert nur durch Teilhabe – Hilfe zur Selbsthilfe. So wachsen Beziehungen, so wachsen Freundschaften.

Eindrucksvoll auch die Ausstellung zur Arbeit des Jugendmigrationsdienstes, die hier präsentiert wird. JMD-Leiterin Annett Spott gibt dann einen geschichtlichen Rückblick, der zeigt, dass die Mitarbeitenden und Ehrenamtlichen engagiert, motiviert und verantwortungsbewusst sind – einfach klasse. Und dafür gibt es auf dem Fest nicht nur von Frau Spott ein großes Dankeschön.

In Grußworten würdigen den JMD: Heike Krauel, Bürgermeisterin der Stadt Bitterfeld-Wolfen und Christoph Victor, Bereichsleiter der Diakonie Mitteldeutschland.

Für die musikalischer Umrahmung sorgt anschließend „LaMi“. Das Duo verbindet arabische Musiktradition mit der Moderne und bringt so die Geschichte der orientalischen Welt in die Gegenwart. Und dass bei schönstem Sonnenschein, Kaffee und Kuchen im Garten des Lutherhauses. Mit interessanten Gesprächen in kleinen „Runden“, um sich noch besser kennenzulernen.


Bild 1: JMD-Chefin Annett Spott blickt auf Erreichtes zurück.
Bild 2: Die Syrerin Ahmad Azeza kommt mit Tochter Amal gern in den JMD.
Bild 3: Ulrike Petermann, Theologischer Vorstand des Diakonievereins, beklagt den geplanten Kahlschlag in der Integrationsförderung. Das sei unverantwortlich.
Bild 4: Das Fest war gut besucht, die Stimmung freudig-ausgelassen.
Bild 5: Die vielen Stäbchen demonstrieren die Anzahl der Klienten, die vom JMD Bitterfeld-Wolfen bisher begleitet und beraten worden sind.
Bild 6: Johannes Toaspern (l.), Bitterfelder Pfarrer im Ruhestand, und Dr. Norbert Rückriemen, Vorstand der Wohnstättengenossenschaft Bitterfeld-Wolfen eG (WSG), schauen sich die JMD-Ausstellung an.
Bild 7: Die Venezolanerin Ginette Zamora-Zorrilla schminkt kleine Mädchen.