CO2-HighTech in Wolfener Werkstätten

Bundestagsabgeordneter Sepp Müller in der Zweigwerkstatt Gräfenhainichen

CO2-HighTech in den Wolfener Werkstätten? Ja, gibt es! XL-3200, das größte Gerät der Serie von eurolaser – einer der weltweit führenden Hersteller von CO2-Laser-Maschinen zum Schneiden, Gravieren und Markieren – steht seit Herbst 2023 in der Außenstelle Gräfenhainichen und ist in der Lage, extrem große Stücke zu bearbeiten. Patricia Metz, Kaufmännischer Vorstand des Diakonievereins e. V. Bitterfeld-Wolfen-Gräfenhainichen, zeigt dem Bundestagsabgeordneten Sepp Müller die Laseranlage. Sie geht davon aus, „dass sich die Investitionskosten in naher Zukunft durch Auftragsarbeiten für die Industrie oder gemeinsame Produktentwicklung amortisieren werden.

Gerade werden hier für einen großen US-Stoffhersteller Musterbücher angefertigt.“ Das hört Sepp Müller mit Interesse. Der 35-Jährige ist stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Gesundheitsausschusses. Bei den Bundestagswahlen gewann er das Direktmandat im Wahlkreis Dessau-Wittenberg für die CDU. In der Region besucht er regelmäßig Unternehmen. Am 26. Juli 2024 die Werkstatt Gräfenhainichen. Passender Ort für einen Gedankenaustausch mit Frau Metz zum Thema: Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) und Inklusion – raus auf den ersten Arbeitsmarkt!

Die fast 500 Beschäftigten der Wolfener Werkstätten haben sich zu einem beachtenswerten Glied im Wirtschaftskreislauf der Region entwickelt. Auch wenn sie der Staat finanziell fördert, müssen sie in ihren Rahmenbedingungen solide wirtschaften. Die Angebote der Werkstätten sind durchaus konkurrenzfähig. Müssen sie auch, denn die Geschäftskunden können sich keinen Mitleidsfaktor leisten.

Patricia Metz lässt Sepp Müller hier kurzerhand die Arbeit eines Werkstatt-Beschäftigten ausprobieren: Ein Drahtgebinde in einen Straßenbesen reinziehen. In Handarbeit. Das ist, wie der Politiker schnell feststellt, gar nicht so einfach. Viele Unternehmen suchen Arbeits- und Fachkräfte. Menschen mit Behinderung wollen Arbeit. Lassen sie sich tatsächlich zusammenbringen? Menschen mit Behinderung mehr Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen – das ist das Ziel des Bundesteilhabegesetzes. Teilhabe statt Gnade. Der Haken an der Reform: Allzu viel kosten darf es nicht. Der Gesetzesrahmen ist sehr, sehr eng.

„Unsere Werkstätten wollen möglichst viele Beschäftigte auf den ersten Arbeitsmarkt vermitteln. Der Übergang in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis in einem Unternehmen ist jedoch noch selten. Und zwar überall! Denn das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Rehabilitation sind tatsächlich sehr schwer, unter einen Hut zu bekommen“, so Frau Metz. Die Kritik an den Werkstätten ebbt derweil nicht ab. Der Vorwurf ist hart: WfbM seien rein wirtschaftlich orientierte Einrichtungen, die berufliche Sackgassen für die Beschäftigten darstellten und diese dabei für Akkord-und Fließbandarbeit anstelle kostenaufwendiger Maschinen ausnutzten.

Eine Verunglimpfung, die hier weh tut. Denn, so sagt Frau Metz, „neben dieser Kritik scheint der wertvolle und wichtige Auftrag von Werkstätten, nämlich die Ein- bzw. Wiedereingliederung und die Integration von Menschen mit Behinderung in das Arbeitsleben, in Vergessenheit zu geraten. Werkstätten integrieren!“ Die Arbeitsplätze sind natürlich individuell an den Handicaps der Beschäftigten ausgerichtet. Darunter sind auch Menschen mit mehrfachen Schwerstbehinderungen! Die Absicht sei, ihre Persönlichkeit zu stabilisieren und zu fördern.

Die Praktikerin Metz und der Politiker Müller sind sich einig, dass es einerseits Schutzräume wie die Werkstätten braucht. Aber andererseits auch mehr Unternehmen, die sich trauen, diejenigen Menschen mit Handicaps zu beschäftigen, die das wollen und können. Dafür stehen mit Instrumenten wie dem Budget für Arbeit oder der Arbeitsassistenz Tore offen – sie müssen nur durchschritten werden. Aber wie so oft steckt der Teufel im Detail. Patricia Metz weiß aus Erfahrungen von Beschäftigten der Wolfener Werkstätten, die in Außenarbeitsplätze vermittelt werden konnten, dass sie auch weiterhin auf eine enge fachliche Begleitung ihrer Betreuer angewiesen sind.

Das A und O sei die Kooperation mit dem zukünftigen Arbeitgeber, sagt sie. „Da bedarf es vieler Gespräche über das, was tatsächlich machbar ist. Das geht nicht mit der Brechstange. Die Werkstatt-Beschäftigten, die für den ersten Arbeitsmarkt in Frage kommen, müssen dafür vorab in den WfbM verstärkt trainiert werden.“
Das will Frau Metz. Parallel dazu denkt die Kauffrau aber auch noch in eine ganz andere Richtung: „Warum melden sich nicht noch mehr Unternehmen, um Erzeugnisse in unseren Werkstätten fertigen zu lassen? Das hilft beiden Seiten. Die Beschäftigten arbeiten weiterhin unter fachlicher Anleitung – und die Unternehmen bekommen ihre Aufträge erledigt, nur eben bei uns.“ Dazu müssen Unternehmen die Werkstätten besser kennenlernen. Im Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen gibt es dazu am 20. August die Ausstellung „mit vielen Augen sehen“ und am 24. September in Halle einen Werkstätten Tag.

Und was nimmt Sepp Müller aus dem Besuch in Gräfenhainichen mit? „Ich konnte mich von der Leistungsfähigkeit der Werkstätten vor Ort überzeugen. Viele sprechen nur über Menschen mit Beeinträchtigungen. Mir ist es wichtig, mit den Menschen zu reden. Hier konnte ich eindrucksvoll sehen, wie leistungsfähig die Werkstätten sind. Ich wünsche mir deswegen mehr Integration auf den ersten Arbeitsmarkt bei gleichzeitig tieferer Kooperation mit unserer heimischen Wirtschaft.“

Foto 1: Sepp Müller probiert die Arbeit eines Werkstatt-Beschäftigten aus: Ein Drahtgebinde in einen Straßenbesen reinziehen. In Handarbeit. Das ist, wie der Politiker schnell feststellt, gar nicht so einfach.
Foto 2: Sepp Müller lässt sich die Arbeitsweise des HighTech-Lasergeräts erklären, auf dem gerade die Musterbücher für einen US-Hersteller gefertigt werden.
Fotos und Texte: Diakonieverein e.V. Bitterfeld-Wolfen-Gräfenhainichen